In jeder Arztpraxis, jedem Krankenhaus und in sonstigen Einrichtungen, die mit medizinischer Versorgung und ihren vielfältigen Angeboten befasst sind, hat die ethnische-kulturelle Vielfalt der PatientInnen und damit auch die sprachliche Vielfalt zugenommen. Moderne Medizin kommt nicht mehr ohne die Reflexion dieser Frage aus. Medizinisch relevante Faktoren finden sich in jeder Phase eines Migrationsprozesses oder einer Flucht, die ein Mensch durchlebt hat. Zu identifizieren sind diese im Kontext einer Biografie, dem Weg der Migration oder der Flucht oder in den gegenwärtigen Lebensverhältnissen im Aufnahmeland. Aber nicht nur bspw. Erlebnisse auf dem Weg einer Flucht, die traumatisierende Erfahrungen nach sich ziehen und die gesamte Lebensperspektive im jetzigen Aufnahmeland beeinflussen, sind für die Gesundheitsversorgung relevant, sondern Vorerfahrungen aller Art können medizinisch bedeutsam werden. Insbesondere der kulturelle Aspekt ist nachhaltig wirksam und für das eigene Erleben von Gesundheit zentral.
Kulturelle Deutungsmuster und Skripts, konkrete Traditionen und Umgangsweisen mit Gesundheit kennenzulernen, ist wesentlich für eine kompetente Gesundheitsversorgung von Frauen, Männern, Kindern und Jugendlichen. Dabei muss der der analytische Wert der zentralen Begriffe ‚Migration und Kultur‘ in dieser Allgemeinheit für medizinische und/oder gesundheitspolitische Themen hinterfragt werden. Denn anstatt differenzierte Einsichten zu fördern, werden diese teilweise sogar erschwert, wenn zum Beispiel allgemeine Vorstellungen über ‚Migranten‘ oder ‚Flüchtlinge‘ auf den medizinischen Bereich übertragen werden. Es kommt vielmehr darauf an, die Phänomene ‚Migration‘, ‚Flucht‘ und ‚ethnisch-kulturelle‘ Zugehörigkeit von Patienten zu konkretisieren und mehr über die jeweiligen Umstände von einzelnen Patienten und ihre individuellen Strategien im Umgang mit Gesundheitsproblemen zu erfahren. Ein kompetenter Umgang mit Migranten und Flüchtlingen in der medizinischen Versorgung muss den soziokulturellen Aspekt von Gesundheit/Krankheit, der eine hohe Relevanz hat, individualisieren, in dem konkreten Kontext des Patienten/der Patientin verorten und unreflektierte Annahmen über „fremde Kulturen“ und stereotype Sichtweisen vermeiden. Insofern gilt es, den Fachtag dazu zu nutzen, den interkulturell kompetenten Umgang mit dieser Gruppe von Patienten zu thematisieren und entsprechende Erfahrungen auszutauschen.
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